Nach einer längeren Pause meldet sich der Horror Friday zurück und hat ein Spiel parat, das vor allem optisch in der Horrorspielewelt noch Seinesgleichen sucht. Warum es sich in Darstellung, Atmosphäre und nicht zuletzt geschichtlichem Hintergrund von anderen Games des Genres deutlich unterscheidet, erfahrt ihr in der heutigen Review zu „Neverending Nightmares“.
Schaut euch einmal diesen Screenshot an. Habt ihr schon einmal ein Horrorspiel in dieser minimalistischer, aber irgendwie doch detailreicher Darstellung gesehen? Wenn überhaupt, dann sehr selten. Was zunächst aber wie ein zum Leben erweckter Haufen an Kinderzeichnungen aussieht, entwickelt sich zu einem kleinen Horrortrip für euch und den armen Pyjama tragenden Kerl im Spiel.
Thomas, der eben genannte arme Kerl, wacht mitten in der Nacht in einer einsamen Villa auf und macht sich auf den Weg, das Haus zu erkunden. Klar, weil das ja die beste Aktivität überhaupt mitten in der Nacht ist!
Bei seinem Mitternachtsspaziergang entdeckt Thomas nach und nach die gruseligen Einzelheiten und letztendlich auch die handfesten Gefahren, die das Haus für ihn bereit hält. Und weil das nicht genug ist, wacht er von Zeit zu Zeit erneut in einer noch fruchteinflösenderen, verrotteten Version des Hauses auf und setzt seine Erkundungen fort. Ein Alptraum, der nicht zu enden scheint. (Applaus für die sinngemäße Nutzung des Spieletitels!) Dabei begegnet er immer wieder einem Mädchen mit langen schwarzen Haaren, das nach jedem Erwecken eine andere Rolle zu spielen scheint. Thomas‘ Psyche scheint einen großen Zusammenbruch erlitten zu haben und versucht nun mit großer Anstrengung, die offensichtlich tramatischen Erlebnisse zu verarbeiten.
Die Details, die „Neverending Nightmares“ so atmosphärisch intensiv machen, sind in allen Größen und Formen anzufinden.
Da wäre zunächst das Blut, wahlweise an Wänden, Böden, gemischt mit Innereien oder gar an Leichen(haufen) zu finden, das schon von Beginn an Unheil verkündet. Da die restliche Spieleumgebung (bis auf wenige Außnahmen) in einem kahlen Schwarz-Weiß gehalten ist, könnt ihr gar nicht anders, als diese leuchtend roten Flecken intensiv wahrzunehmen. Eine große Blutlache in „The Evil Within“? Meh, schon gesehen, schon durchgeschwommen. Eine Blutpfütze in „Neverending Nightmares“? OH MEIN GOTT.
Neben diesem netten Gore-Effekt kann Thomas durch viele clever platzierten Gegenständen wie Familienporträts, Möbeln, Spielzeug und vor allem sehr gruseligen Puppen mehr über seine Vergangenheit und Familie erfahren.
Aber Blutlachen und Möbel können Thomas nicht körperlich schaden. Die Monster im Spiel hingegen schon.
„Neverending Nightmares“ beinhaltet Kreaturen wie mutierte Monsterbabys und Verrückte mit zugenähten Augen in Zwangsjacken, die überall im Haus umherstreifen. Thomas muss sich entweder mit einer Axt verteidigen oder sich in einem Schrank verstecken. Beide Methoden haben aber keine Erfolgsgarantie. Und wenn Thomas stirbt, wacht er wieder in einem Bett auf. Wo wir wieder bei dem nicht endenen Albtraum wären…
Neben der packenden Story, die dem Spieler sehr gekonnt nur häppchenweise und subtil vermittelt wird, ist die bereits angepriesene Grafik der eigentliche Trumph von „Neverending Nightmares“. Ich kann mich nur wiederholen, aber noch nie habe ich ein Horrospiel in einer ähnlichen Grafik und Aufmachung gespielt. Die Schatten bestehen aus vielen kurzen schwarzen Strichen und dennoch sind sie nicht weniger gruselig als die Dunkelheit in Spielen wie „Resident Evil“. Sie bewegen sich mit dem Licht oder verschlucken Thomas ohne jegliche Vorwarnung, sodass dieser sich erst eine Lichtquelle suchen muss, bevor er den kohlrabenschwarzen Teil des Hauses erkunden kann. Und der Spieler macht sich währenddessen in die Hose.
Oh, und nicht zu vergessen die Musik! Die Musik allein lässt schon Gänsehaut entstehen. So, habe ich nun alle Merkmale des Spiels angepriesen?
–SPOILER WARNUNG–
Ein weiterer sehr packender Aspekt von „Neverending Nightmares“ sind die verschiedenen Handlungslinien, die der Spieler nach und nach freischaltet, je nachdem welche Entscheidung oder welchen Weg er an bestimmten Stellen des Spiel wählt.
Ist die myteriöse schwarzhaarige Frau nun Thomas‘ Ehefrau, Schwester, oder gar Tochter? Ist sie tot oder noch am Leben? Ist Thomas verrückt geworden, oder einfach nur vereinsamt? Hat er jemanden umgebracht oder ist er unschuldig? Alle Enden lassen einige Fragen und viel Raum für Spekulationen offen, so dass sich jeder eine für sich plausible Variante der Geschichte zurechtlegen kann.
–SPOILER WARNUND ENDE–
Und warum „Neverending Nightmares“ auch noch über seinen Inhalt hinaus eine Bedeutung hat? Laut Matt Gilgenbach, Designer des Spiels, wurde die Story und die Atmosphäre größtenteils von seinen eigenen Schwierigkeiten mit Depression und Zwangsstörungen inspiriert. Unsere Horror-Redaktion ist sich einig, dass Herr Gilgenbach es mit Bravour geschafft hat, dem Spieler Einblick in die Psyche eines leidenden Menschen zu geben. Einen wirklich gruseligen Einblick. Ihr seht, in „Neverending Nightmares“ steckt viel Herzblut.
Da ist es gar nicht verwunderlich, dass das Spiel mehr als erfolgreich über Crowdfunding finanziert wurde, nachdem Ende letzten Jahres eine Demo des Spiels im Netz veröffentlicht wurde. Selbst sehr bekannte Youtuber zeigten sich seitdem mehr als begeistert.
Das Horrorgame könnt ihr euch unter anderem über Steam und dem Humble Store für rund 15€ kaufen. Gut inverstiertes Geld, sagen wir.
Autor: Johanna R.